Recruiting ist kein Einsteigerjob (mit Kerstin Wagner, Chef-Recruiterin der Deutschen Bahn)

Sie stellt jedes Jahr über 20.000 Menschen ein und bekommt 250.000 Bewerbungen: Kaum jemand in Deutschland kennt das Fachkräfteangebot so gut wie Kerstin Wagner, Leiterin Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn. Und kaum jemand weiß so gut, was ein Arbeitgeber heute bieten muss, um noch eine Chance bei den begehrten Zielgruppen zu haben. Vier ihrer Erkenntnisse, die sie in dieser Folge teilt:

  • Bewerber sind die Kunden und der Job ist das Produkt.

  • Tempo ist wichtig - wer vier Wochen braucht, um einen Arbeitsvertrag zu schicken, verliert.

  • Recruiting ist kein Einstiegsjob mehr, sondern eine anspruchsvolle multidisziplinäre Aufgabe.

  • Recruiter müssen immer ihre Daten im Blick haben: Welche Ausschreibungen laufen gut, welche schlecht? Wo hakt es im Besetzungsprozess? 

Die gute Nachricht: Man muss kein Konzern mit einer 800-köpfigen Recruiting-Abteilung sein, um von Kerstin Wagners Erfahrungen zu profitieren. Vieles lässt sich auch im Kleinen umsetzen - zum Beispiel die ständige Bereitschaft, zu lernen und die eigenen Recruiting-Prozesse zu hinterfragen. Dafür braucht es auch keine teure KI-Lösung, schon mit Excel können sich Personaler mehr Klarheit verschaffen und weniger raten.

Weitere Themen dieser Folge von “Unentbehrlich - der Fachkräfte-Podcast”:

  • Wie funktioniert Recruiting bei Schülern?

  • Wie wirbt die Deutsche Bahn im Ausland um Talente?

  • Warum schreibt die Deutsche Bahn fast jeden Job in Teilzeit aus?

  • Wie will Kerstin Wagner bis 2024 30 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzen? (Siehe dazu auch die Aktion “Die größte Bewerbung Deutschlands” zum Weltfrauentag 2022) 

Wie hat dir diese Folge gefallen? Decken sich deine Recruiting-Erfahrungen mit denen von Kerstin Wagner? Wir freuen uns auf dein Feedback auf LinkedIn. Oder besuche uns auf der Podcast-Homepage https://unentbehrlich.co. Dort findest du alle Folgen und Marius Luthers monatlichen Newsletter #Unentbehrlich.

  • [00:00:00] Kerstin Wagner: Also Recruiting oder Personalgewinnung mit allen unterschiedlichen Funktionen ist eine ganz eigene Profession, der Recruiter hat ein ganz eigenes Wissen, ganz eigene Fachkenntnisse. Das kannst du nicht nebenher mal machen. Also wenn du sonst nicht rekrutierst, aber dann auf einmal an die zehn Stellen besetzen sollst. Es geht gar nicht anders. Du kannst es nicht als Hobby nebenher betreiben, sage ich immer.
    [00:00:24] Marius Luther: Hallo und herzlich willkommen zu Unentbehrlich - der Fachkräfte-Podcast. Ich bin Marius Luther, Gründer und CEO von Heyjobs.de. Und ich möchte herausfinden, was können wir, wir alle gemeinsam gegen den Fachkräftemangel in Deutschland tun? In der ersten Staffel haben wir uns mit verschiedenen Berufsfeldern befasst. Pflege, Handwerk, Facility Management. Nun, zum Ende dieser Staffel, möchte ich mal versuchen, das Gelernte zu reflektieren. Und dafür habe ich heute den aus meiner Sicht perfekten Gast. Bei mir ist heute Kerstin Wagner, Executive Vice President Talent Acquisition bei der Deutschen Bahn.
    [00:01:02] Marius Luther: Oder anders ausgedrückt, sie ist die Chefin des größten Recruiting-Teams Deutschlands. Ihr Team bei der Deutschen Bahn stellt im Jahr über 20.000 Menschen ein. Herzlich willkommen. Kerstin Wagner
    [00:01:13] Kerstin Wagner: Hallo Marius, schön, dass ich dabei sein kann heute.
    [00:01:16] Marius Luther: Ich habe neulich auf einem Vortrag gesagt, aus meiner Sicht braucht in fünf Jahren jede Firma einen oder eine Chief Recruiting Officer, und da bist du mir direkt eingefallen. Ich glaube, es gibt fast niemand in Deutschland, der so viele Menschen rekrutiert in so vielen verschiedenen Berufsfeldern. Vielleicht magst du uns mal ganz kurz von deiner Aufgabe erzählen.
    [00:01:35] Kerstin Wagner: Das mache ich sehr gerne. Ja, Leiterin Personalgewinnung, und das bedeutet bei der Bahn, dass wir jedes Jahr, wie Du schon sagst, eine Kleinstadt rekrutieren, und zwar über 20.000 neue Kolleginnen und Kollegen in unterschiedlichsten Berufen, sowohl den Schüler als auch die Fachkräfte in jeglicher Couleur bis hin zu den Akademikern und den Führungskräften.
    [00:01:58] Kerstin Wagner: Also wirklich eine ganz bunte Mischung. Wir haben mal zusammen gezählt, sind also mindestens 500 unterschiedliche Berufe, und das machen wir mit einer Mannschaft von knapp 800 Leuten, und da ist alles vereint, was es braucht, um modern und innovativ Recruiting, Talent Aquisition, Employer Branding, Personalmarketing zu vereinen und das haben wir auch alles unter einem Dach.
    [00:02:21] Marius Luther: Super beeindruckend, finde ich immer. Viele Zuhörerinnen stellen sich natürlich sicher direkt die Frage, 800 Leute, dass ist quasi meine gesamte Firma - ist denn das, was Kerstin heute erzählt, auch anwendbar auf mich im Mittelstand zum Beispiel oder einem kleineren Unternehmen?
    [00:02:37] Kerstin Wagner: Absolut. So, wie man heute Recruiting und Personalmarketing Employer Branding macht, das ist unabhängig erst mal von der Größe und dem Volumen was du rekrutierst. Es geht erst mal darum, was braucht es, wie geht es heutzutage, was braucht es, dass ich auch wirklich meinen Kunden, das ist übrigens der Bewerber, die Bewerberin, meinen Kunden dann auch ideal ansprechen kann und gut durch den kompletten Recruiting-Prozess begleiten kann. Und das gilt im Kleinen wie im Großen und von dem her, ja, es ist grundsätzlich für alle relevant. Wenn der Kandidat, die Kandidatin mein Kunde ist, dann richte ich natürlich alles, was ich mache, an meinem Kunden aus. Das ist der Mindset, den ich brauche, um wirklich erfolgreiches und performantes Recruiting zu machen. Der Kunde kauft natürlich was und der kauft bei mir den Job jetzt in der Analogie gesprochen. Mein Produkt ist derJob, und das Produkt muss dann natürlich attraktiv sein. Und das Produkt muss natürlich dann auch wirklich marktgängig sein und gut im Markt positioniert sein, deshalb muss ich's positionieren, deshalb muss ich aber auch den Kunden richtig ansprechen, also diese ganze Analogie mit Zielgruppen-Segmentierung und die Zielgruppen-Ansprache und sehr individuell auf den Kandidaten zuzugehen, dass ist genau das Thema. Und wenn du weiter gehst, wie sieht dann wirklich auch dein Kunden-Erlebnis aus, also dein Kandidaten-Erlebnis? Auch das wirklich sauber durchzudeklinieren. Das gilt für kleinere Unternehmen, für größere Unternehmen, es ist immer exakt das Gleiche. Also zu sich zu überlegen, wie kann ich die Begeisterung für mein Produkt Job dann auch entlang der kompletten Recruiting-Kette eigentlich noch verstärken?
    [00:04:17] Kerstin Wagner: Und jedes Mal, wenn ich natürlich dann Berührungspunkte habe, immer noch mal sagen, ja genau, das ist genau der richtige Weg. Und daran müssen wir arbeiten. Und deshalb finde ich die Analogie nach wie vor richtig, dass wir alles ausrichten an meinem Kandidaten, Kandidatin.
    [00:04:30] Marius Luther: Wenn wir kurz einmal auf die Zielgruppe Schüler gehen, weil das viele glaube ich interessiert, also wie gewinne ich vielleicht auch Azubis für mein Unternehmen? Darum geht es ja viel. Was hat sich da verändert ?
    [00:04:40] Kerstin Wagner: Also erstmal gilt auch für die Schüler, dass der Arbeitsmarkt enger wird. Also, das beobachten wir ja in sämtlichen Zielgruppen. Da muss man nur mal Blick in die Zahlen werfen und in die Trends, sowohl wieviele Schulabgänger werden's sein, wie viel Erwerbstätige werden in den Arbeitsmarkt eintreten und wie viel werden rausgehen, rein aus Ruhestandsgründen, und dann wird der Markt nach vorne hin noch enger und da werden wir uns noch mehr auch anstrengen müssen als Firmen, entsprechend Personal auch in den einzelnen Zielgruppen zu bekommen.
    [00:05:08] Kerstin Wagner: Der Schüler hat ja eine Besonderheit, und zwar habe ich eine Zielgruppe, die ich nur einmal oder vielleicht zwei Jahre lang habe. Dann sind sie keine Schüler mehr. Beim Fachkraft oder bei allen Berufserfahren hast du ja die Zielgruppe, die bleibt deine Zielgruppe. Dann sprichst du sie einmal an, dann sprichst du sie zweimal an, dreimal an. Beim Schüler hast du jedes Mal eine neue Zielgruppe, so, und die hat sich verändert über die die Jahre absolut, wir haben immer auch eine Besonderheit und die finde ich, hat auch während Corona jetzt noch mal stärker zugenommen. Wie finde ich meinen richtigen Job? Wie finde ich meine richtige Ausbildung? Wie finde ich mein richtiges Studium? Also eigentlich das Thema Berufsorientierung, das, das sich klarwerden, was möchte ich eigentlich machen, in diesem, ich sag's mal so, Dschungel an Möglichkeiten, und da müssen wir genau ansetzen, also Hilfestellung zu geben. was kann ich denn, was möchte ich denn? Das machen wir auf unserer Karriereseite mit entsprechend Job-Profiler und und auch Beratungsgesprächen. Wir gehen natürlich an Schulen. Unter Corona war das auch virtuell möglich. Wir laden auch, wenn es geht, natürlich Schüler zu uns ein, wir sprechen mit Eltern, um da auch Hilfestellung zu geben. Wir nehmen die Angst, wie funktioniert das mit den Bewerbungen, was muss ich da reinschreiben, brauche ich noch ein Anschreiben? Nein, bei uns bei der Bahn braucht man kein Anschreiben mehr. Nutzlose Hürden einfach abschaffen, um das Bewerben an sich einfach und attraktiv zu machen für die Schüler. Aber eigentlich geht es los, mit einer Orientierung zu geben und damit am Ende vom Tag auch wirklich ran.
    [00:06:38] Marius Luther: Wenn man sich so ein bisschen die Statistiken anschaut mit dem demografischen Wandel, dann sehen wir, am meisten fehlen uns in zehn Jahren Fachkräfte. Und Fachkräfte sind ja eigentlich die Menschen, die heute Schüler sind und eine Ausbildung als Fachkraft machen sollten, müssten. Und das liegt einmal natürlich daran, dass deutlich weniger Menschen geboren wurden in den letzten 20 Jahren, als vor 60 Jahren. Zum anderen habe ich aber auch gesehen, die Studienanfängerquote, also wie viel Prozent der Schulabgänger beginnen ein Studium, die lag in den 70er Jahren bei 15% und die liegt heute bei ungefähr 50%.
    [00:07:14] Kerstin Wagner: Richtig.
    [00:07:15] Marius Luther: Was können wir denn aus deiner Sicht machen, diese klassischen deutschen Ausbildungsberufe, gerade die technischen Ausbildungsberufe wieder auch attraktiver zu machen für Schüler und Schülerinnen?
    [00:07:26] Kerstin Wagner: Orientierung geben und klar zu sagen, was heißt denn das, eine Ausbildung zu machen in einem technischen Beruf? Was kann ich sowohl, was kann ich danach machen, wo ist denn eigentlich mein Einsatzfeld?
    [00:07:35] Kerstin Wagner: Und was kann ich dann danach auch machen? Ich kann ja später immer noch mal ein Studium draufsetzen, wenn's mir danach ist, also die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems einfach nochmal aufzuzeigen, ich finde, das ist noch mal ganz wichtig, und wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, auch mit mit Vorbildern, mit Role-Models, neudeutsch gesprochen, auch zu arbeiten, also genau aus dieser Berufsgruppe, die aktuell in der Ausbildung sind, auch mit zukünftigen oder mit Schülern dann auch sprechen zu lassen, dass sie wirklich ganz echt und und und glaubwürdig erzählen, wie denn Ausbildung funktioniert, warum sie sich für diesen Weg entschieden haben, ob das cool ist oder nicht cool ist und was sie vielleicht auch nervt. Also das heißt, wir haben auch Azubi-Botschafter, die entsprechend eben auf jetzt wieder kommen bald wieder die Messen, aber auch virtueller Natur oder eben auch in die Klassenzimmer gehen. Und das ist für uns eine ganz ganz wichtige Quelle, und natürlich unbenommen auch für die Schüler brauch ich natürlich auch eine ganz andere Ansprache, dass es überhaupt attraktiv ist, die Unternehmenswelt, und was'n das heißt, in so einem Unternehmen auch zu arbeiten, und von dem her machen wir dann dann auch ganz, ganz andere Ansprachen. Ich erinnere nur an unsere "Senioren zocken"-Kampagnen und solche Geschichten.
    [00:08:48] Marius Luther: Super spannend, müssen wir dann verlinken in den, in den Shownotes einige eurer Beispiele aus dem Recruitment-Marketing. Genau dieses Makro-Thema ist ja auch der Grund, warum ich diesen Unentbehrlich-Podcast mache, also der demografisch verursachte Fachkräfte- oder Arbeitskräftemangel. Ich finde immer ganz plakativ, einfach zu sehen, dass jedes Jahr bis 2030 gehen in Deutschland doppelt so viele Menschen in Rente, wie wir jedes Jahr Berufsanfängerinnen haben. Wie stark betrifft euch das direkt als Arbeitgeber? Gehen bei euch auch so viele Menschen in Rente? Die müsst ihr ja eigentlich alle ersetzen jedes Jahr.
    [00:09:23] Kerstin Wagner: Genau das ist auch eines der Hauptgründe, warum wir natürlich auch so viel rekrutieren, weil viele Kolleginnen und Kollegen in Rente gehen, und das ist natürlich ein Hauptgrund. Der zweite Grund ist auch unsere Konzernstrategie, spricht da ist Wachstum hinterlegt, und der dritte Grund sind natürlich auch neue Profile, neue Skills. Also wenn ich an an meine ganzen Digital-Profile denke, die wir rekrutieren, an die Data-Profile, das hast vor vier Jahren natürlich auch noch nicht rekrutiert, also wir rekrutieren Jobs, die wir vor fünf Jahren veilleicht noch nicht einmal richtig kannten. Da entwickelt sich natürlich massiv auch der Weg und das ist der Grund. Wir sind im Schnitt so um die 45 ,Altersdurchschnitt bei der Bahn. Und deshalb, wie gesagt, ist, ist das Thema Rentenalter natürlich auch bei vielen gegeben.
    [00:10:10] Marius Luther: Wenn wir über ein Fachkräftemangel nach denken, dann haben wir über einen Talentpool gesprochen, nämlich die Schüler und Schülerinnen. Der andere, der oft zitiert wird, sind Arbeitskräfte aus dem Ausland, also Migration fördern . Und ich weiß, als Deutsche Bahn, Ihr macht da auch schon ganz viel. Was ist denn eure Erfahrung? Klappt das, die Einstellung von Talenten aus dem Ausland, die die Eingliederung ins Unternehmen, die Produktivität dieser Menschen?
    [00:10:35] Kerstin Wagner: Ja, es ist ein absolut spannender und auch interessanter Talentpool oder Talentmarkt. Wir haben ein eigenes Team, das sogenannte Cross Border Recruiting Team, das genau dafür da ist, aus dem Ausland Fachkräfte anzusprechen und auch entsprechend für die Deutsche Bahn, also in Deutschland zu gewinnen, wir sind noch in anderen Ländern. Das Cross Border Recruiting Team besteht auch aus Recruitern, die aus den jeweiligen Ländern kommen, also sowohl die Sprache sprechen, aber eben auch den Markt verstehen. Also wie funktioniert das überhaupt, wie geht bewerben in dem Markt, wie spricht man auch entsprechend die Zielgruppe an? Also dieses Knowhow, war unsere Erfahrung, war ganz ganz wichtig, genau anzusetzen. Und wir haben uns dann die Märkte angeschaut, wo ist überhaupt Potenzial? Das ist ja immer die erste Übung, zu sagen, wo gibt es Potenzial für unsere Zielgruppen, die wir suchen? Und genau dann sind wir in diese Länder gegangen und dann auch da wieder unsere Erfahrung, man muss dann schon sehr strukturiert rangehen.
    [00:11:31] Kerstin Wagner: Also du musst sowohl auf der Personalmarketingsseite dann was tun, um da auch wirklich bekannt zu werden, auf der anderen Seite aber auch deinen exzellenten Recruiting-Prozess dann drauf zu setzen. Und da gibt es natürlich noch mehr Themen, also da ist das Thema wie mach ich überhaupt eine Auswahl, gehe ich dann in das Land, mach ich's virtuell, bringe ich die die Personen dann erst mal nach Deutschland? Was mache ich mit Sprache? Bei uns ist ja auch ganz wichtig, dass man in verschiedenen Bereichen auch wirklich Deutschkenntnisse mitbringt. Wie mache ich das dann vielleicht auch mit Sprachschulen? Wie mache ich das mit dem Umzug? Wie mache ich das mit den Families, die dahinter hängen, und das haben wir quasi wie so ein Komplettpaket dann auch, und wichtig ist, wirklich alles dann auch mit mit im Portfolio zu haben.
    [00:12:15] Marius Luther: Ja. Die Potenziale, die wir eigentlich haben, um diesen Arbeitskräftemangel zu lösen, sind einmal Schüler und Schülerinnen, über die haben wir gesprochen, sind Menschen aus dem Ausland anzulocken, über die haben wir auch schon gesprochen. Siehst du noch andere Hebel, Potenziale, um einfach wieder mehr Arbeitskräfte im Markt zu haben, sodass Recruiting vielleicht auch wieder einen Tick einfacher wird?
    [00:12:35] Kerstin Wagner: Also ganz einfach gesprochen, nutzt den kompletten Arbeitsmarkt. Das ist eigentlich die große Überschrift, und zwar wirklich alle, die es am Arbeitsmarkt gibt. Und da kann man bestimmte Zielgruppen natürlich nochmal stärker auch adressieren, und dort bin ich auch bei einem meiner Lieblingsthemen, das Thema Diversity.
    [00:12:55] Marius Luther: Ja.
    [00:12:56] Kerstin Wagner: Wir haben sieben Dimensionen von Diversity. Und eines davon ist natürlich auch das Thema Chancengerechtigkeit, das Thema Frauen, Frauen rekrutieren. Wir haben eine klare ausgeflaggte Zielgröße, die da heißt, 30 Prozent Frauen in Führung bis 2024, also in zwei Jahren, und deshalb muss ich dann natürlich was dahinter setzen.
    [00:13:16] Kerstin Wagner: Und andersrum formuliert, ich kann es mir gar nicht leisten, die Hälfte der Erwerbsbevölkerung nicht zu adressieren, das sind ja in Deutschland roundabout 26 Millionen Frauen, wir haben auch eine komplette Recruiting Strategie da drauf gesetzt. Wir haben es mal ganz plakativ genannt, 30 Maßnahmen für 30 Prozent, und das sind wirklich ganz konkrete 30 Recruiting-Maßnahmen.
    [00:13:41] Kerstin Wagner: Und auch da gilt es wieder, entlang des kompletten Prozesses, also wirklich von der Ansprache bis hin zu dem ganzen Recruiting-Prozess, und es wird auch komplett alles gemonitort. Also Zahlen spielen sowieso grundsätzlich eine Rolle in der Personalgewinnung bei uns, aber da ist es auch noch mal ganz, ganz relevant. Und im März, und das war ja auch so eines der Leuchttürme, machen wir dann auch sehr, sehr starke Aktionen. Der achte März ist eigentlich der Weltfrauentag, wir machen gleich immer einen ganzen Monat draus und und stellen, machen es zum Thema, und stellen es dann auch wirklich konkret ins ins Fenster. Und wir haben dieses Mal auch den Spieß umgedreht. Man muss Dinge auch noch mal anders denken und sagen, wir bewerben UNS als Arbeitgeberin bei 26 Millionen Frauen, und nicht anders rum, und genau so haben wir es dann durchgezogen. Und nach der größten Bewerbung Deutschlands gab es dann auch zum Schluss des Monats das größte Bewerbungsgespräch Deutschlands, und das haben wir dann mit nem Live Stream gemacht, also von dem her, und auch das hat funktioniert. Wir haben deutlich mehr Bewerbung dann auch von Frauen bekommen.
    [00:14:47] Kerstin Wagner: Auch der Markt, der der temporär Beschäftigten. Wir haben bei uns auch die fest, für die festen Arbeitsverhältnisse, die wir rekrutieren, wir haben aber auch die DB Zeitarbeit, also, das heißt für die temporären Beschäftigten, und auch da können war quasi auch den Markt gut adressieren und entsprechend alles aus einer Hand bieten und oder eben auch Teilzeit. Das sind auch so Themen, also das ist Mann wie Frau, Alt wie Jung, per se schreiben wir eigentlich alle Ausschreibungen in, in Teilzeit aus, alle Jobs in Teilzeit aus. Und es muss schon gute Gründe geben, wenn es dann nicht so funktioniert oder wir haben jetzt auch unseren "wo-du-willst-Job" propagiert, auch das sind so Mittel, um auch da eine Zielgruppe vielleicht zu adressieren, die nicht bereit wäre umzuziehen per se, und das sind so, so Möglichkeiten, um genau dieser Überschrift dann auch Genüge zu tun- Adressiert bitte den kompletten Arbeitsmarkt, der ist.
    [00:15:42] Marius Luther: Ja. In einer der bisherigen Folgen habe ich gesprochen mit Katrin Alberding. Die hat einen ambulanten Pflegedienst gegründet, jetzt auch schon über 350 Mitarbeiterinnen. Die hat kein Diversity Problem. Oder ein umgekehrtes. Die hat über 90% Frauen als Pflegekräfte, und die sagt, die größte Hürde ist Kinderbetreuung in Deutschland, also fehlende Kinderbetreuung. Das könnte ja Teil sein auch eines Job-Produkts. Wenn man so darüber nachdenkt, dass der Arbeitgeber sich in diese Bereiche stärker engagiert, um das verfügbare Potenzial an Arbeitskräften zu heben. Macht ihr so was schon?
    [00:16:17] Kerstin Wagner: Das machen wir schon, Kinderbetreuung, Kitas. Aber ich denke eins weiter. Flexibilisierung finde ich, ist da die Antwort drauf. Also das ist eines der Maßnahmen ohne Zweifel und total wichtig, aber sich dann auch noch mal eher als Arbeitgeberin einen Kopf zu machen, was braucht es eigentlich noch, um zu flexibilisieren, um da auch den einzelnen Zielgruppen genau diese Möglichkeit zu geben. Entweder für Kinderbetreuung oder für das Hobby, was man immer auch noch nebenher machen möchte, oder sich um die Eltern zu kümmern oder. Da gibt es verschiedenste Gründe, und ich finde da nochmal viel viel stärker reinzugehen. Und deshalb ist genau dieses Zusammenspiel auch, und jetzt sind wir wieder bei der Vertriebs-Analogie. Ich hab ein Produkt, was ich in den Markt stelle. Wenn das Produkt nicht mehr so attraktiv ist, dann muss ich mir auch überlegen, welche Rahmenbedingungen muss ich denn verändern, dass es wieder attraktiver wird, und dann muss ich zurückgehen und dann zu meinen Kollegen, die das Produkt ja bauen, also Benefits, Beschäftigungsbedingungen und so weiter.
    [00:17:13] Kerstin Wagner: Und so sind dann auch bei uns diese Rahmenbedingungen entstanden wie "wo du willst", oder im Endeffekt, dass das Thema Teilzeit, wir haben auch ein Wahlmodell, was unheimlich gut ankommt, also entweder mehr Urlaub oder dann mehr Geld, also auch sowas ist Flexibilisierung. Im Blue-Collar-Bereich gibt es eine App, wo du deine Schichten, deine Wünsche hinterlegen kannst, um entsprechendend auch die Schichten gut und für dich passend dann auch zu steuern. Also das sind solche solche Beispiele dafür, das meine ich mit Flexibilisierung.
    [00:17:43] Marius Luther: Super Beispiele, wie man Job-Produkte auf die Zielgruppe genau zuschneidet und attraktiv macht. Dann schließen wir das Thema Job-Produkt mal ab und gehen zu dem zweiten Bereich, den du auch schon angesprochen hast, nämlich wie mache ich denn jetzt Sales und Marketing für mein Job-Produkt? Wie wie bringe ich das Job-Produkt zu den Kandidaten-Kunden ?
    [00:18:03] Marius Luther: Und da weiß ich, setzt Ihr ganz viel auch auf moderne Technologien, auf digitale Tools. Vielleicht magst du uns da einen Einblick geben. Was sind für euch so die absolut wichtigsten Tools und Technologien im Recruiting bei der Deutschen Bahn?
    [00:18:18] Kerstin Wagner: Grundsätzlich wichtig, Technologie-Einsatz, und sich davor nicht scheuen, sondern da gibt es so viele Möglichkeiten und auch Technologie, die vielleicht nicht auf den ersten Blick so eine klassische HR Technologie ist, sondern vielleicht aus dem ganz anderen Bereich kommt. Und das schauen wir uns immer an unsd sagen, Mensch, was gibt es da draußen auf der Welt? Blick über den Tellerrand hilft immer ganz gut und so sagen, eigentlich können wir das für uns irgendwie anwenden. Wir haben natürlich irgendwie eine performante Karriereseite, wo wir eigentlich permanent auch schauen, was funktioniert, mit A-B-Tester drauf, schauen, was was können wir da verbessern, verändern, was auch sehr kundenorientiert ist, jetzt bin ich wieder bei dem Begriff auch. Da ist auch ein Chatbot hinter geschaltet und ich sage immer, wir machen nicht den Chatbot, weil's irgendwie grad in ist, sondern weil das uns hilft!
    [00:19:08] Kerstin Wagner: dem Kunden, wenn er genau bei dem Kauf Prozess ist zu sagen, ich beantwortete die Frage egal, wann du stellst und ich bin schnell und kann damit entsprechend auch reagieren oder aktiv reagieren. Wir haben unglaublich viele Stellenanzeigen. und da ist er immer. Die spannende Frage, welche Stellenanzeige performten und welche performte nicht. Und eigentlich müsste es hier Hände, Schwede, Stellenanzeige einmal durchgucken Wieviel Bewerber habe drauf funktioniert? Das? Und wir haben dann Algorithmus entwickelt, unsere sogenannte Sourcing Automation. Wird das Ding, wo man sagen die Maschine guck mir das nach jedem Tag und schaut. ist es gut, ist es nicht gut und du musst erst mal definieren was ist denn gut?
    [00:19:48] Kerstin Wagner: Mein typische Beispiel immer zehn bewerbungen auf salbe security stellen cura da können uns echt feiern, wenn es zehn bewerbung vielleicht auf eine klassische Marketing stelle ist, da müssten eigentlich mehr sein. Also es kommt auch immer auf die regionen. Kommt immer auf den job an sowas zu automatisieren es hilft uns was uns auch hilft ist den arbeitsmarkt nummer besser zu sagen die Zahlen zu gießen.
    [00:20:13] Marius Luther: Wenn du über diese Daten zentriert heit spricht aus meiner Sicht ist das ja vor allem auch im rekrut mit marketing wichtig da habe ich ganz ganz viele Kanäle, da gebe ich viel geld aus, wie geht ihr denn davor, um zu messen und zu analysieren was bringt was, was bringt vielleicht aber auch nichts?
    [00:20:29] Kerstin Wagner: Also erstmal die Zahlen nutzen, die du hast. Und das ist ja erstaunlich, wenn man mal drauf schaut, das ist ja oft gar nicht so schwierig, an genau diese Zahlen zu kommen. Und man muss einmal groß draufschauen, entlang der kompletten Prozesskette gucken wir natürlich drauf und eben auch im Marketing.
    [00:20:45] Kerstin Wagner: Das fängt ja schon an, wie viele Klicks habe ich irgendwo auf meiner Karriere-Seite, und was was funktioniert da, bis hin zu was kostet mich denn so eine Bewerbung für eine Zielgruppe und wie könnte ich das optimieren, über welchen Kanal gehe ich da am besten? Das sind ja einfache Angaben. Du weißt ja, was du dafür ausgibst, du weißt, was du sonst so an Kosten hast, und dann bist da schon auch eins schlauer. Was uns auch geholfen hat, ist eigentlich das, was im Bewerbermanagement-System an Daten hinterlegt ist zu, wie viele Bewerber habe ich auf eine Stelle, und wie viel sind dann wirklich auf die Shortlist gekommen, wie viel davon sind in ein Interview gekommen. So. Und wenn du das dann immer bissl aufbaust, wie alt waren die, ich habe zum Beispiel auch ein Diversity-Dashboard, wieviel Frauen sind entlang des Prozesses durchgekommen, und das hat uns geholfen, das mal auf eine Seite zu schreiben und so ein ganz klassisches Dashboard aufzumachen entlang der Kette. Und dann hast du ganz andere Diskussion, auch mit den einstellenden Führungskräften. Und dann kannst du auch gemeinsam darauf schauen und sagen. da müssen wir besser werden, warum fliegt uns immer genau in der Shortlist jemand raus? Müssen wir vielleicht was vorne weg verbessern? Müssen wir anders ansprechen? Und das sind Zahlen, die hat, sobald du ein Bewerbermanagement-Ssystem hast, hast du die im Regelfall. Und dann gilt es eigentlich nur, das in Excel zu gießen und dann vielleicht auch noch mal schick in Powerpoint aufzumalen, und, und dann ist das schon mal ein erster wirklich richtig guter Schritt.
    [00:22:11] Marius Luther: Ja und ich glaube das gibt auch intern halt ganz viel Kredibilität, wenn ich mich verteidigen muss. Wenn mein Hiring-Manager sagt, ja, die letzten zehn Jahre hatten wir doch immer 50 Bewerbungen, und jetzt haben wir nur noch zehn, oder alle abgelehnt. Woran liegt das? Und wenn ich dann natürlich sagen kann, ja, die haben aber alle abgelehnt, weil sie für Mindestlohn nicht mehr arbeiten wollten, weil alle um uns links und rechts zahlen 13 €, 14 € die Stunde, dann muss man was am Jobprodukt ändern, weil dann kann ich noch so viel Marketing machen, das wird halt nicht mehr zum gleichen Erfolg führen. Und wenn man das aus Bauchgefühl argumentiert, kommt das oft an als, da will sich nur jemand verteidigen. Aber wenn ich einfach die Zahlen zeige, dann gibt es halt nicht so viele Fehldeutungen des Ganzen sozusagen.
    [00:22:53] Kerstin Wagner: Genau. Und das können ja unterschiedlichste Gründe sein. Warum, warum vielleicht das nicht so von Erfolg gekrönt ist. Mit Zahlen kannst auch besser argumentieren und auch sehr transparent, also wir verteilen das auch an die Geschäftsfelder, das sind ganz ganz ganz transparente Auflistungen. Und wie gesagt, das kann eigentlich jeder machen, sobald du irgendwie das System hast, also selbst wenn du nur auf Excel unterwegs bist, auch da kannst, kannst Auswertungen fahren. Und von her würde ich es immer empfehlen, fangt auch damit an, gebt euch eine ganz, ganz andere Basis, um auch wirklich gut und professionell ins Gespräch zu kommen.
    [00:23:28] Marius Luther: Ich glaube ihr seid ja momentan wirklich Cutting Edge, würde man auf Englisch sagen. Du machst den Job jetzt seit zehn Jahren, glaube ich ungefähr. Wenn du in die Glaskugel schaust und sagst, wie rekrutiert denn die Deutsche Bahn in 2032, also in zehn Jahren, was denkst du da, wird immer sozusagen, wird, wird immer so bleiben im Recruiting, und was denkst du, wird sich noch mal radikal ändern?
    Der Arbeitsmarkt wird dann nochmal ein ganz schöner Beschleuniger sein. Also wir haben von engen Arbeitsmärkten gesprochen. Wichtig ist, dass wir auch verstehen, wie sich Jobprofile verändern. Das finde ich einen ganz, ganz wichtigen Faktor, weil dann kommen aus diesem reaktiven Modus raus. Wir haben jetzt gute Erfahrungen mit gemacht, wir haben so ein eigenes Lab gegründet, wo wir genau das untersuchen mit einer Methode, dass wir sagen, wir wissen ja, welche Technologie da ist, wir wissen ja, welche Trends grad schon im Markt sind. Was heißt denn das angewandt auf den konkreten Job? Und wenn ich das weiß, dann weiß ich, was ich eigentlich heutzutage schon machen müsste, damit ich in ein paar Jahren auch wieder ganz vorne mit dabei bin, was die Rekrutierung, was Profile anbelangt. So. Wichtiger Punkt. Und ich denke, es wird noch mal deutlich automatisierter werden, ich bin aber auch gleichzeitig dabei und es wird noch kundenorientierter werden müssen. Wir können es nicht nur mit Technologie lösen. Ich kann heutzutage schon komplett durchautomatisierten Prozess machen, könnte ich heute schon.
    [00:24:51] Marius Luther: Richtig.
    [00:24:52] Kerstin Wagner: Aber nicht in dem engen Arbeitsmarkt, wo ich den Einzelnen wirklich auch gut abholen muss und im Gespräch dann auch erklären muss, was wir bieten können und und was uns dann auch wirklich ausmacht.
    [00:25:02] Marius Luther: Genau, das macht macht ja total viel Sinn. Ich versuche auch nicht, meinen Enterprise-Kunden komplett automatisiert zu gewinnen, sondern ich schicke mein besten Vertriebler. Warum? Weil dieser Kunde mir so viel wert ist. Und wenn die Kandidaten einem so viel wert sind in der Zukunft, dann könnte es sogar sein, dass es eher noch menschlicher wird und dass man vielleicht Menschen aus einem Vertriebs Team eher ins Recruiting holt, um zu sagen, hol mir die allerbesten Leute ins Unternehmen.
    [00:25:28] Marius Luther: Ein Faktor, den ich da sehe, gerade bei Fachkräften und gewerblichem Personal, ist Geschwindigkeit. Ich habe neulich über Speedcruiting geschrieben, also die Notwendigkeit, superschnell zu sein, wenn sich ein Kandidat mal meldet, und auch Leerzeiten im Recruiting-Prozess zu eliminieren. Also nach einem Interview nicht zu sagen, wir schauen jetzt mal zwei Wochen, und dann dann melden wir uns mit einem Feedback. Sondern dort schneller zu sein. Wie schnell arbeitet Ihr schon? Und und reicht dir das schon an Schnelligkeit?
    [00:25:57] Kerstin Wagner: Das ist immer eine Kombination Schnelligkeit, aber auch eine gute Interaktion mit dem Bewerbenden. Das eine geht ohne das andere nicht. Du kannst super schnell sein und gleichzeitig die Interaktion nicht hinbringen, dann hast du auch nichts gewonnen. Das ist meine Erfahrung. Und ob es dann einen Tag länger oder kürzer geht, ist dann auch erstmal unerheblich. Wichtig ist, du hast, du hast eine gute Kundenbeziehung, eine gute Beziehunge zu dem einzelnen Kandidaten und Kandidatin. Wir erleben es schon, ja, es ist natürlich in dem engen Markt, du hast ein Interview gehabt, dann willst du natürlich mal eine Reaktion haben. Klar, es geht einam ja vermutlich selber so. Und genau das versuchen wir hinzubekommen.
    [00:26:36] Kerstin Wagner: Wir machen sogar im im schnellsten Fall auch Recruiting-Tage, wo du am Ende des Tages deine Entscheidung hast. Gerade im Fachkräfte-Bereich, oder gerade auch zum Teil im Schüler-Bereich, und das kommt unheimlich gut an. Weil die Entscheider sitzen da, dann können sie auch gleich entscheiden, weil du weißt ja, was du rekrutieren möchtest, also wie gesagt, das ist, das ist sehr schnell. Wir erleben auch gerade bei der Zielgruppe IT, da ist auch ein hoher Druck da, um da auch maximal schnell auch wirklich den Arbeitsvertrag auf den Tisch zu packen, da ist es wirklich ein Wettbewerbsvorteil.
    [00:27:09] Marius Luther: Mich hat auch neulich jemand gefragt, leidet dann die Qualität unter dieser Geschwindigkeit? Also zum Beispiel in der Auswahl, dass man, dass man dann kein gutes Assessment macht. Und ich glaube, man kann trotzdem ein super Assessment machen des Kandidaten sich dann trotzdem am gleichen Tag zurück melden oder am nächsten Tag. Und es braucht nicht vier Wochen, bis der Arbeitsvertrag erstellt wird. Weil das machen wir alle auch nicht zum ersten Mal.
    [00:27:32] Marius Luther: Was ich bei vielen unserer mittelständischen Kunden sehe, ist, das Recruiting ist weiterhin Aufgabe der Personalabteilung. Dass ist ja ganz klassisch schon immer so gewesen. Du hast ein ganz eigenes Recruiting-Team. Ich glaube, das ist trotzdem beim Personalvorstand aufgehangen, aber es ist eine eigene Organisation. Warum, warum macht ihr das so eigenständig?
    [00:27:54] Kerstin Wagner: Recruiting, ich sags immer so, ist kein Einsteigerjob mehr, was es vielleicht, ich würde fast sagen, vor Jahrzenhnten war. Da warst du Junior, gingst erstmal ins Recruiting und dann konntest du wieder die große HR-Welt entdecken, und das hat sich massiv gedreht. Also Recruiting oder Personalgewinnung mit allen unterschiedlichen Funktionen, können wir gleich noch besprechen, ist eine ganz eigene Profession, die es natürlich gilt, absolut professionell auch auszuüben. Der Recruiter hat ein ganz, ganz eigenes Wissen. Ganz ganz eigene Fachkenntnisse. Das kannst du nicht nebenher mal machen. Also wenn du sonst nicht rekrutierst, aber dann auf einmal an die zehn Stellen besetzen sollst. Es geht gar nicht anders, du kannst es nicht als Hobby nebenher betreiben, sage ich immer. Und von dem her absoluten Fokus auf das Thema. Und wenn du dir anschaust, was wir auch an unterschiedlichsten Profilen haben, dann hat man natürlich den Spezialist fürs Personalmarketing, der eine steuert die Kampagnen, der andere ist mehr im Performance Marketing, der andere ist eher auf der regionalen Seite unterwegs, wir haben Social Media Spezialisten. Wir haben auf der Recruiting-Seite selbst die Recruiting-Teams sehr klar aufgeteilt. Der Recruiter muss stark beheimatet sein in der Zielgruppe. Also der Schüler-Recruiter ist ein anderer wie der Fachkräfte-Recruiter. Der IT-Recruiter hat eine ganz andere Community wie der, wie vielleicht eher der, der die Marketing-Leute rekrutiert, und das ist eminent wichtige. Wir haben eigene Active Sourcer. Wir haben ein eigenes Executive Team, also die wie Headhunter agieren. Wir haben ein eigenes Analytics Team, Data Scientists und Data Engineers drin, und das macht eine moderne Personalgewinnung aus. Das meine ich damit, und ich da noch ein Wort dazu. Ich kann nur allen raten, die vielleicht uns jetzt zuhören und sagen, ich bin grad dabei am überlegen, wie stelle ich denn mein Team auf?
    [00:29:50] Kerstin Wagner: Es geht auch in viel, viel kleiner. Da kann ich immer nur raten, bitte packt alles in dieses eine Team rein, und da gehört immer das Marketing, Personalmarketing mit der Rekrutierung zusammen, das kannst du nicht trennen, das ist so eng verflochten. Und ich habe das große Glück, dass wir auch die Strategie-Abteilung, also die Governance-Abteilung, und die Operative unter einem Dach haben, und das macht uns extrem schnell.
    [00:30:15] Kerstin Wagner: Als ich kann mir heute was überlegen und mir ausdenken und kann morgen umsetzen. Und das ist eminent wichtig. Und ja, es hat auch den Fokus bei uns, weil es hängt nicht irgendwo irgendwo, sondern das hängt direkt am Personalvorstand als als wichtiges Thema.
    [00:30:33] Marius Luther: Das fand ich jetzt total spannend, diese zwei Take-Aways auch für kleinere Unternehmen, die nicht eure technische Möglichkeiten haben, eure Finanzmittel, euer Recruiting-Team, zu sagen, was kann ich trotzdem tun? Und wenn ich dich richtig verstanden habe, ist es einmal alles unter einem Dach.
    [00:30:48] Kerstin Wagner: Ja
    [00:30:49] Marius Luther: Und zwei, versuchen, auch schnell schon eine Spezialisierung hinzukriegen, also einen Sourcer vielleicht zu haben, einen Recruiter zu haben, einen, der Personalmarketing macht, einen Analyst zu haben, und nicht zu sagen, ich hab vier Menschen, und die machen alle alles sozusagen.
    [00:31:05] Kerstin Wagner: Genau. genau.
    [00:31:06] Marius Luther: Gibt es da noch andere Tipps, die du gerade auch für kleinere Teams hast?
    [00:31:09] Kerstin Wagner: Ich finds wichtig, und das ist jetzt die Rede an alle Führungskräfte, die Recruiting oder Personalgewinnungs-Teams leiten. Seid da auch Vorbilder und und versucht, so einen innovativen Mindset im Team zu integrieren, weil das ist auch da wieder wichtig. Also sowohl das selber vorzuleben, weil das ist ja, wir unterliegen ja permanenter Veränderung. Auch ich muss mich um das Thema kümmern, was gibt es denn da Neues da draußen, und ich muss mich natürlich auch immer wieder in Themen einarbeiten und und einlesen. Also das Thema, lebt es vor und schafft auch Freiräume, wo Ihr auch unglaublich kreativ und innovativ sein könnt. Das ist immer mein Wahlspruch - es gibt keine zu verrückte Idee, aber bitte sprecht sie aus. Und das kann man im kleinen Team wie im großen Team machen, also dass man einfach wirklich sein komplettes Team nutzt, um um noch mal anders zu denken und nochmal die, die Dinge zu drehen. Und, letzter Punkt, sehr früh auch in Befähigung des eigenen Teams zu investieren. Wir haben auch Lernzeit, jede Woche von acht bis zehn, Montag von acht bis zehn ist in jedem Kalender geblockt, Lernzeit, und das ist eben auch ein wichtiger Punkt, zu sagen, entweder ich hol On Demand ein Training. Wir können relativ spontan auch mal ein Live-Training platzieren, wenn es Neuerungen gibt in einem Prozess vielleicht, das hilft uns massiv.
    [00:32:27] Marius Luther: Ja, und ich glaube, es gibt kaum einen Markt und damit ein Berufsfeld, wo sich in den letzten auch fünf Jahren so viel verändert hat. Also so viel hat sich im Vertrieb zum Beispiel nicht verändert, wie sich Recruiting verändert Warum? Weil sich auch die Märkte komplett gedreht hatten. Es gab Corona, da gab's dann plötzlich super viele Kandidatinnen auf dem Markt, dann gab es plötzlich wieder niemanden, weil die ganze Gastronomie wieder neu eingestellt hat.
    [00:32:50] Marius Luther: Und dort immer modern zu bleiben und auf der Höhe der Zeit zu bleiben ist eine extreme Herausforderung und braucht nicht Change Management, aber so, ja, diese Bereitschaft, sich eigentlich jeden Tag auf neue Situationen einzustellen. Deswegen find ich das ein total tolles Beispiel mit euer, eurer Lernzeit. Vielleicht ganz zum Abschluss Kerstin, ich frag jeden Gast, hast du in der jüngsten Vergangenheit irgendwas im Recruiting gesehen, eine Aktion, einen Prozess, wo du gedacht hast, wow, das ist neu, das ist gut, das das könnte auch die Zukunft vielleicht sein?
    [00:33:25] Kerstin Wagner: Also was mich gerade wirklich rumtreibt, ich hab's vorhin schon erwähnt, Metaverse, AR, das sind so die Themen, einfach da noch mal zu überlegen, wie können wir denn das nach vorne hin auch anwenden? Das, das finde ich ein ganz spannendes, spannendes Feld, wo wir, ich glaube, alle miteinander auch noch mal draufschauen müssen und gucken müssen, wie die, wo die Reise hingeht. Und ich war jetzt erst am Wochenende in Hamburg am Bahnhof. Und da gab es einen kleinen Händler, und auch der hat seine Werbung eigentlich genau neben seinem Produkt geschaltet und gesagt, übrigens, ich suche Leute, und der hat es sehr klar, sehr gut auf den Punkt gebracht. Da ist jetzt überhaupt keine Technologie dahinter, aber das ist einfach smart gemacht und sagen, ja genau, ich bin auf alle Fälle drüber gestolpert. Man hat gesehen, ja Mensch, eigentlich, ja, super, also schon neugierig geworden. Und oft sind's auch die kleinen Dinge, wo ich sag, ja, warum nicht und das ist auch gut und richtig so, also von dem faszinieren mich auch oft so kleine Dinge.
    [00:34:25] Marius Luther: Mich durchaus auch, und ich finde immer bei diesen kleinen Dingen, aufgrund dessen, dass man nicht so viel Platz hat, sind die immer sehr gut konzentriert auf die Kernaussagen des Job-Produkts, die, die wirklich den Unterschied machen. Bei den Stellenanzeigen im Internet denkt man immer, ich kann zwei DIN A 4 Seiten schreiben, nur die liest halt kein Bewerber. Ich habe glaub ich gestern gelesen, dass im Durchschnitt unter 30 Sekunden auf einer Stellenanzeige verbracht wird, wenn ein Kandidat sozusagen durch das Internet browst. Und in diesen Aushängen stehen oft die Essentials, da steht drin, unter der Woche verdienst du X, am Wochenende Y, und hier musst du dich melden und wir suchen dich sozusagen. Und für viele Jobs sind das die essenziellen Informationen.
    [00:35:06] Kerstin Wagner: Absolut
    [00:35:07] Marius Luther: Super. Ganz lieben dank dir, Kerstin. Ich fand's wie immer total insightful ist das englische Wort, ich weiß gar nicht das deutsche mehr, aber ich fand's total spannend, interessant und ich glaube auch, dass das ganz vielen Zuhörerinnen ganz, ganz viel gebracht hat heute. Deswegen lieben Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.
    [00:35:27] Kerstin Wagner: Ja hat sehr viel Spaß gemacht. Lieben Dank an dich.
    [00:35:29] Marius Luther: Das war sie, die vierte Folge von Unentbehrlich - der Fachkräfte Podcast. Ein Interview mit der vielleicht ersten Chief Recruiting Officer Deutschlands.
    [00:35:40] Marius Luther: Was nehmt Ihr aus dieser ersten Podcast-Staffel mit? Schreibt mir gerne auf LinkedIn, da findet ihr mich unter meinem Namen Marius Luther. Oder Ihr besucht mich auf der Podcast Homepage unentbehrlich.co. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal. Euer Marius Luther.

Der Gast in dieser Folge

Kerstin Wagner

ist eine der führenden deutschen Recruiting-Expertinnen: Seit zehn Jahren prägt sie bei der Deutschen Bahn die Personalgewinnung; als Executive VP Talent Acquisition verantwortet sie dort das globale Recruiting und Employer Branding. Sie ist außerdem Co-Lead des Labors “Jobs of the Future”, in dem die Deutsche Bahn die Berufsbilder der Zukunft entwickelt. Wagner studierte Betriebswirtschaftslehre in Reims und Reutlingen und erwarb einen MBA in Ottawa.

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Wer will heute noch Hausmeister werden? Fachkräftemangel im Facility Management.